Wir haben im Balkan im letzten Quartal 2017 exklusiv für das Observatoire du journalisme dank den Spenden unserer Leser recherchiert. Quelle auf Französisch.
Die blitzschnelle Karriere von David Petraeus – der Reihe nach Oberbefehlshaber der internationalen Streitkräfte im Irak und in Afghanistan, Direktor der CIA, Vorsitzender des Finanzgiganten KKR und Medienmagnat – verkörpert eine neue Form der Militär‑, Sicherheits‑, Finanz- und Medienmacht.
Diese Karriere schien jedoch ein jähes Ende haben zu müssen, als ein Skandal sexueller Natur Petraeus 2012 zum Rücktritt aus der CIA zwang. Der Ehebruch war durch die Tatsache erschwert, dass der Vier-Sterne-General während der Ermittlungen gelogen hatte bzw. besonders weil er Staatsgeheimnisse an seine Liebhaberin hatte durchsickern lassen. Er wurde zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Dollar verurteilt – eine Lappalie im Vergleich mit ähnlichen Fällen, wie der von Edward Snowden, der behauptet, weit weniger vertrauliche Informationen verbreitet zu haben.
Petraeus wird sich erholen. Sechs Monate nach dem Skandal wird er vom riesigen Investmentfonds Kohlberg, Kravis, Roberts & Co. L. P. (KKR) rekrutiert, um dessen neulich gegründetes Global Institute zu leiten.
Die Barbaren der Wall Street
In den 1970er und 1980er Jahren war KKR der Wegbereiter für die Technik der fremdfinanzierten Betriebsübernahme (leverage buyout, LBO) bzw. „Übernahme durch Hebel-Effekt“ – sprich durch eine massive Verschuldung. Der Erfinder des Konzepts, Jerome Kohlberg, wird – wegen “einer erdrückenden das Geschäftsleben prägenden Habgier“ beunruhigt – den Fonds bald verlassen, den er gegründet hatte, und nur noch seinen K am Anfang des Kürzels hinterlassen. Nach seinem Weggang wird der zweite K, Henry Kravis, die LBOs explosionsartig entwickeln, was KKR den wenig schmeichelhaften Spitznamen von „Barbaren der Wall Street“ bringen wird (der Bestseller und der Film „Barbarians at the Gate“ sind ihrem historischen LBO auf RJR Nabisco gewidmet). Sie werden die Meister dieser Methode bleiben, obwohl diese oft zur Zerschlagung bzw. zur Pleite der gekauften Unternehmen führt, wie es bei ihrem anderen historischen LBO auf Energy Future Holdings der Fall wurde. Die gleiche Methode wird heute durch [den französischen Geschäftsmann] Patrick Drahi praktiziert, der sein Medienimperium durch eine kolossale Verschuldung aufgebaut hat.
Ende 2016 war die Kandidatur Petraeus’ als Chef der amerikanischen Diplomatie von Donald Trump ins Auge gefaßt worden, doch wird er nunmehr als Partner bei KKR bleiben. Kravis und Petraeus sind ebenfalls Mitglieder im Council on Foreign Relations und nehmen regelmäßig an den Bilderberg-Konferenzen teil. Kravis stand am 38. Rang auf der vom Jerusalem Post veröffentlichten Liste der reichsten Juden.
Die Invasion beginnt
Seit seinem Übergang in die Welt der Finanz bewährt sich der ehemalige Beamte und erweitert das schon beeindruckende Portfolio von KKR. 2013 tätigt der Fonds seine erste direkte Investition in Ost und Mitteleuropa und kauft United Group (SBB/Telemach) für eine nie offen gelegte aber über einer Milliarde Dollar geschätzte Summe. United Group verband die wichtigsten Kabelfernsehen‑, Satellitfernsehen- und Internetanbieter im ehemaligen Jugoslawien mit beinahe zwei Millionen Abonnenten:
- SBB (Serbia Broadband) – der größte Kabelfernsehen- und Internetanbieter in Serbien mit 700.000 Abonnenten;
- Telemach – der größte Kabelfernsehen- und Internetanbieter in Slowenien und Bosnien-Herzegowina;
- Total TV – das erste Satellitfernsehennetzwerk in Serbien, präsent in sechs Ländern des ehemaligen Jugoslawiens;
- NetTV Plus – der größte Telekommunikationsanbieter im Internet in der Region;
- United Media – die Fernsehkanäle Sport Klub, Cinemania, Ultra, Mini Ultra, Lov i Ribolov ;
- CAS Media – die größte Einkaufsagentur für Medienflächen für Kabel- und Satellitfernsehen in der Region.
Im Jahr darauf 2014 verstärkt KKR seinen Einfluß. Durch United Group kauft er Grand Production, den Unterhaltungsgigant im Bereich „Turbo Folk“ und erwirbt die Kontrollbeteiligung des montenegrinischen Kabelfernsehenanbieters BBM. Er wird auch zum Miteigentümer des ersten Informationsportals in Serbien Blic.rs durch den Kauf von 49% von Ringier Digital SA, der digitalen Filiale des Schweizer Medienkonzerns.
Schließlich gründet KKR seinen eigenen regionalen Fernsehkanal N1 TV als Exklusivpartner von CNN, mit Studios in Belgrad, Zagreb und Sarajevo. Durch diese umstrittene Operation verbindet United Group die Verbreitung und die Produktion von Inhalten.
2015 sorgt der Konzern für einen weiteren Präzedenzfall mit dem erstmaligen Erwerb eines Mobiltelefonnetzwerks – Tušmobil in Slowenien – durch einen Kabelfernsehenanbieter. 2017 kauft er das Geschäft von Central European Media Enterprises (CME) in Kroatien und Slowenien, darunter TV Nova, den beliebtesten Fernsehkanal Kroatiens, dessen Abendnachrichten die besten Einschaltquoten des Landes aufweisen; ferner POP TV, dessen Nachrichtensendung 24ur das wichtigste Informationsprogramm Sloweniens ist. Währenddessen erweitert United Group sein Geschäft im Bereich der fixen und mobilen Telefonie und kauft seine Mitbewerber weiter auf, darunter BHB Cable TV (Bosnien-Herzegowina), M‑kabl (Montenegro) und Ikom (Serbien).
Wer versteckt wen?
Die von Petraeus geführten „Barbaren der Finanz“ haben ein echtes Medienimperium errichtet, aber sie haben es sehr diskret ohne jegliche öffentliche Prüfung getan. Einige seltenen, zögerlichen und verspäteten Ermittlungen haben doch letztendlich einige Details enthüllt.
2015 bezeichnete ein vom serbischen Rat für die Bekämpfung der Korruption stammender Bericht über die Eigentumsstruktur und die Kontrolle der Medien in Serbien den Mangel an Transparenz im Bereich Medieneigentum als vorrangiges Problem. Im Jahr darauf wurde die Eigentumsstruktur von United Group zum Gegenstand einer Untersuchung durch die slowenische Zeitung Delo in Zusammenarbeit mit Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Ihr Artikel „Auf der dunklen Seite von Telemach“ ermöglichte es schließlich, dass die Bevölkerung der Region einen Blick hinter die Kulissen ihrer größten Informationsquelle werfe. Sie fanden dort ein Labyrinth von Offshore-Geistergesellschaften, die in Steueroasen wie die Pilze aus dem Boden schoßen, um die tatsächlichen Eigentümer und deren Finanznetzwerke zu verstecken.
Eine halbe Enthüllung: das Feigenblatt ist serbisch
Das Hauptziel dieser Ermittlungen war der Serbe Dragan Solak. 2000 gründete er KDS, einen lokalen Kabelfernsehenanbieter in Kragujevac (Serbien) und während seine Startup raketenartig aufstieg und 2002 zu SBB, 2012 zu SBB/Telemach und 2013 zu United Group wurde, konnte er weiterhin deren Führung behalten. Dabei gab es noch kein Geheimnis. Die echte Entdeckung dieser Ermittlungen ist, dass er ebenfalls 20% der Aktien behalten hätte, die hinter der Gesellschaft Gerrard Enterprises versteckt sind, die er 2001 auf der Insel Man gegründet hätte.
Dieser immer wieder „für die Medien nicht verfügbare Fernsehkabelkönig“ und neuer Magnat der Wirtschaft in einer ökonomisch verwüsteten Landschaft ist unter seinen verarmten Landsleuten ein auffälliger Nouveau Riche mit seinen Privatjets, seiner Villa am Genfer See und seinem Golfplatz, der früher das Eigentum des Königs von Jugoslawien gewesen war (Petraeus’ Lebenswandel sorgte auch bis in Artikel der HuffPost und der Washington Post für Gesprächsstoff). Serbe in einer Region, wo die nationalen Rivalitäten weiterhin an der Tagesordnung sind, Illusionnist, der drei Offshore-Gesellschaften pro Tag gründete und Millionen Euro wie durch Hokuspokus erscheinen und verschwinden ließ, ohne irgendwelche Steuer zu zahlen – alles Gründe dafür, dass die Journalisten von Delo und diejenigen, die ihnen folgten (Nacional, Jutarnji list, Ekspres…), ihren Scheinwerfer auf Solak leiteten. Die Gefahr war da geringer als wenn man nach größerem Wild auf der Spur gewesen wäre.
Die Rolle der amerikanischen Botschafter
Die Ermittlungen von Delo, um die unterschiedlichen Tentakeln der Eigentumsstruktur von United Group zu entflechten, hat eines klarer gemacht: die Eigentümer versteckten sich hinter einer Reihe von Strohmännern. Weniger klar war jedoch, ob Solak zu den Eigentümern zählte oder bloß ein Strohmann war.
Solak handelte nicht allein. Seine Hintermänner jenseits des Atlantiks, darunter KKR, waren in allen Operationen die Mehrheitspartner. Sie waren es, die ihn an der Spitze von United Group ließen und seit dem Anfang für seinen rasanten Aufstieg sorgten, wie ein von Wikileaks enthülltes Telegramm der US-Botschaft in Belgrad es bezeugt. Es ist schade, dass die Quelle, obwohl im Internet leicht zu finden, bisher noch nicht betrachtet worden ist.
Das Telegramm aus dem Jahr 2007 ist spezifisch der Situation von SBB gewidmet, angefangen vom Titel: „Serbia Broadband agiert in feindlicher Umgebung“. Dort wird Solak als Hauptansprechpartner der Botschaft angeführt, sodass man sich manche Fragen über die Natur seiner Beziehung mit der amerikanischen Diplomatie stellen kann. Der Unterzeichner, Botschafter Michael Polt, übermittelt Solaks Sorgen nach Washington und fügt seinen Bericht über die amerikanischen Anstrengungen – sowohl von Diplomaten als auch von Investoren – um Abhilfe zu schaffen, hinzu. Ihr Vorwand ist es, die Marktdominanz durch den öffentlichen Anbieter Telekom zu bekämpfen, der „aggressive Taktiken und politischen Einfluß benutzt“ um seine Monopolstellung abzusichern. Heute versteht man, dass der Botschafter genau das tat, was er Telekom vorwarf, aber zugunsten SBB. Das Telegramm wurde vom 1. Juni 2007 datiert. Am 27. Juni wurde der historische Abschluß des ersten LBOs in Serbien bekanntgemacht: SBB wurde von Mid Europa Partners gekauft.
Polts Nachfolger, Cameron Munter, setzte seine postdiplomatische Karriere bei Mid Europa fort, wo er 2013 als Berater für SBB-Telemach bei den Verhandlungen mit Petraeus fungierte. Polts Vorgänger, der bekannte William Montgomery, der erste US-Botschafter nach dem NATO-Einsatz von 1999 und der Farbrevolution vom 5. Oktober 2000, der seinen Einfluß in der Art eines imperialen Prokonsuls ausübte, war der Handelspartner von Brent Sadler. Letzterer, Korrespondent für CNN in Belgrad zur Zeit der Bombardements, ist jetzt der Vorsitzende von N1 TV, dem Flagschiff-Sender von United Group, Exklusivfiliale von CNN in Osteuropa.
Feinde, die zu Partnern wurden
Die Beratungskanzlei Montgomery Sadler Matić & Associates (MSM & Associates) versammelte ein unglaubliches Trio: der ehemalige US-Botschafter und der frühere CNN-Reporter wurden zu den Partnern von Goran Matić, der 1998–1999 der jugoslawische Bundesminister für Information gewesen war. Sein serbischer Amtskollege in der gleichen Periode war der heutige serbische Präsident Aleksandar Vučić.
Kurz vor den Bombardements kritisierte Matić Medien im Dienste von ausländischen Herren: „die Lage ist ganz klar – der Eigentümer zahlt und verlangt die Ausstrahlung von gewissen Informationen“. Als die NATO angriff, war er es, der bei CNN erklärte: „Wir sind bereit den Aggressor zu bekämpfen“. Als die Luftschläge am 23. April 1999 das Gebäude des serbischen Fernsehens in Belgrad dem Erdboden gleichmachten und dabei 16 Menschen töteten, meldete die BBC seine Erklärung weiter: „Es ist ein ungeheuerliches Verbrechen ohnegleichen in der Geschichte“. Im weniger weitschweifigen Bericht seines künftigen Partners Sadler auf CNN wurde dieser Zitat auf zwei Wörter reduziert: „kriminelle Handlung“. Tony Blair erwiderte, dass die Bombardierung des Fernsehgebäudes „völlig gerechtfertigt“ war. Am 3. Mai, dem Welttag für die Pressefreiheit, bombardierte die NATO das Fernsehgebäude in Novi Sad.
Seitdem haben beide ehemalige Informationsminister eine Kehrtwendung gegenüber ihrem früheren Feind vollzogen, und diejenige von Vučić wurde besonders spektakulär. Seine Partei heuerte übrigens Montgomery als Berater an, und einmal an der Macht tat es ihre Regierung mit Tony Blair gleich, obwohl die gleichen Herrschaften ihn 1999 als rotes Tuch betrachteten. Wiederum 2005 schrieb Vučić eine positive Rezension über eine Monographie mit dem eleganten Titel Der englische Schwulenfurz Tony Blair (sic). Der frühere Nationalist pflegt ebenfalls eine rege Freundschaft mit anderen Protagonisten der Aggression gegen seine Heimat: Gerhard Schröder und Bill Clinton.
Die Investor-Generäle
Was Petraeus angeht, so protzt er mit einer NATO-Medaille für den Krieg im ehemaligen Jugoslawien. 1999 stand er als Adjudant beim General Hugh Shelton, Stabschef der US-Armeen, und nahm an der Planung und an der Koordination der Bombardements teil. Bevor er als Investor zurückkam, war Petraeus schon wieder in der Region 2001–2002 als stellvertretender Stabschef der Stabilisation Force (SFOR) der NATO in Bosnien-Herzegowina und als stellvertretender Befehlshaber einer geheimen Antiterroreinheit, die damit beauftragt wurde, die von Den Haag gesuchten Serben zu fangen, bevor der 11. September die Gesamtlage durcheinanderbrachte und die bisher verbündeten Dschihadisten in Hauptfeinde verwandelte. „Da wurde seine künftige Entwicklung vorgezeichnet“ behauptet Fred Kaplan in seiner Biographie The Insurgents: David Petraeus and the Plot to Change the American Way of War (2013, S. 65).
Sein Vier-Sterne-Kollege Wesley Clark Oberbefehlshaber der NATO während der Bombardements gegen Jugoslawien, wechselte ebenfalls in die Welt der großen Konzerne (wie Odierno, McChrystal oder Mullen. Erinnern wir daran, dass Eisenhower schon 1961 vor dem militärisch-industriellen Komplex gewarnt hatte). Wesley Clark ist der Vorsitzende des kanadischen Konzerns Envidity Energy Inc., der inmitten von Kontroversen über die Förderung von sehr bedeutenden Kohlevorkommen im durch seine Truppen „befreiten“ Kosovo verhandelt. Obwohl Petraeus im Geheimen der Hauptverhandler des Fonds KKR für die Übernahme von United Group 2013 war, traf er mehrmals den serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić sowohl öffentlich wie auch im Privaten.
Soros’ Millionen und der rasante Aufstieg
Das Telegramm von Wikileaks beinhaltet einen Hinweis auf einen Wendepunkt im Aufstieg von United Group. 2002 bekam Solaks Startup eine außergewöhnliche Opportunität. Es gelang ihr eine Investition von 10 Millionen Dollar von Southeastern Europe Equity Fund (SEEF) zu erhalten. Der Fondsverwalter war Soros Investment Capital Management, das später in Bedminster Capital Management umgetauft und von George Soros gegründet wurde.
Dieser engagierte Milliardär hat mit Kravis (vom Fonds KKR) zufällig einiges gemeinsam, wie ein Ferienhaus am Ufer des Atlantiks, wo beide Nachbarn sind, oder – weniger zufällig? – eine Leidenschaft für die Sammlung von balkanischen Kabelfernsehenanbietern.
Es ist ab dieser Investition von Soros, dass der exponentielle Wachstum von SBB und dessen Tauchgang in die undurchsichtigen Mäander der internationalen Finanz beginnen. Nach Soros ist es die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die 2004 übernimmt und 15 Millionen investiert. Diese „europäische“ Bank, deren größter Aktionär die USA sind, bleibt bis dato (2017) Eigentümer und Koinvestor von United Group.
Soros’ Fonds wird sich in SEEF I und II teilen, die gleichzeitig als Käufer und Verkäufer bei der Übernahme von SBB durch Mid Europa 2007 fungieren werden. 2014 rühmte sich diese private von ehemaligen Spitzenbeamten der Weltbank und IWF geführte Investitionsgesellschaft, ihre Investitionen dank dem übermäßigen von KKR bezahlten Betrag verdreifacht zu haben.
George Soros (geb. Schwartz) wurde der Familienname von seinem Vater, einem Esperantist, geändert. Das Wort „soros“ soll in dieser Sprache heißen: „ich werde rasant aufsteigen“. Ein gutes Omen für den kleinen György, genauso wie für Solaks Startup, die er mit soviel Weitblick unterstützt hat.
Aber wer half denn Soros am Anfang seiner Karriere? Das Startkapital für seine Startup Double Eagle Fund, später in Quantum Fund umgetauft, wurde von Georges Karlweiss von der Banque Privée S.A. aus Lugano bereitgestellt, die sich wiederum im Eigentum des Baron Edmond de Rothschild befindet (siehe den gelöschten Artikel der Washington Times). Laut Time Magazine, „fügten die Rothschilds und weitere reichen Europäer bald 6 Millionen Dollar hinzu“. Grund genug, um rasant aufzusteigen, wie die Zukunft dies zeigen wird.
Verschwenderische Investitionen in verlustreiche Medien
Sogar die Finanzler ohne Glauben und Moral gehorchen einem sakrosankten Gesetz: Gewinne erzielen. Doch die Rendite für die Investitionen von KKR in die balkanischen Medien zeigt sich noch nicht am Horizont. Dieser Bereich erlebt solche Schwierigkeiten, dass die Flagschiff-Erwerbungen – wie SBB in Serbien und Nova TV in Kroatien dafür bekannt sind, jahrelang Verluste zu ergeben.
Im Falle von SBB hat die astronomische Investition durch KKR 2013 die Lage nicht verbessert. Im Gegenteil zeigen die verfügbaren Jahresberichte eine stetige Entwicklung der Verluste: 33 Mio. Euro in 2010, Gleichgewicht in 2011 dann 10,5 Mio. Verluste in 2012 und 1,4 Mio. in 2013. Schließlich 29 Mio. in 2014, 33 Mio. in 2015 und 35 Mio. in 2016. Wie man sieht, stellt das Jahr 2016 mit fünfunddreißig Millionen Euro Verlusten einen Rekord dar.
Die Erklärung? Mit dem Erwerb dieser Medien kaufte Petraeus Einflußmöglichkeiten. Die Frage stellt sich also: welcher Investor würde sich freuen zu hören, wie sein Fonds ihm sagt: „Wir haben sowohl die Milliarde, die Sie eingesetzt haben, wie auch den Profit, den wir Ihnen versprochen hatten, verpulvert. Dafür haben wir aber Medieneinfluß in Osteuropa gewonnen“. Man hat schon Schwierigkeiten, sich vorzustellen, das die Bezieher des Pensionsfonds aus dem Oregon sich darüber freuen würden. Dagegen könnten sich mehrere Bekannten Petraeus’ aus dem Bilderberg-Club damit abfinden können.
Weitere mögliche Erklärung: die Ausgaben könnten „aufgeblasen“ worden sein, um Verluste zu deklarieren, die es nicht wirklich gibt. Dank seiner negativen Bilanz hat SBB seit Jahren – trotz eines Umsatzes von 170 Millionen Euro allein in 2016 – keine Steuer bezahlt. Der Schaden für den serbischen Staatshaushalt könnte im achtstelligen Bereich (in Euro) liegen.
Der Staat kümmert sich nicht um sein Geschäft
Die großen Verlierer dieses dubiosen Schemas sind vor allem die Bürger, die auch die Haupterzeuger des Reichtums sind, den United Group in Steueroasen abzieht, während sie ihre Steuer zahlen. Ferner ist es die Konkurrenz, die keine Chance hat, um mit dem priviligierten Marktriesen, mit seiner Finanzkraft, mit seiner Nullbesteuerung, mit seiner grenzüberschreitenden Kartellisierung und mit seiner Vernetzung mit CNN rivalisieren zu können. In fine sind das auch die Staaten, die darauf verzichten, die Steuer zu kassieren, ohne über ihre eigentliche Verpflichtung zu reden, die freie Konkurrenz und die Bürger zu schützen.
Die Staaten wären am meisten in der Lage, die Aktivitäten von KKR zu prüfen. Sie allein können illegale Praktiken sanktionieren und Gesetzeslücken stopfen.
Die Staaten haben es bevorzugt, die Augen zuzudrücken. Bis dato stammen die einzigen Enthüllungen über das KKR-Medienimperium allein von Nichtregierungsorganisationen bzw. Privatpersonen. Was die Gesetzesveränderungen betrifft, so haben diese bloß die Lücken erweitert, so der Bericht des South East European Media Observatory mit dem eindeutigen Titel: „Die Großmächte haben die serbische Gesetzgebung für die Medien an die Bedürfnisse der ‚balkanischen CNN‘ angepaßt“.
Die Europäische Union als Lobbygruppe
2014 scheinen der serbische Staat und KKR zur Konfrontation verurteilt zu sein. KKR hat vor, seinen neuen Kanal N1 TV auf seinem Netzwerk SBB Telemach im Rahmen seiner führenden Gesellschaft United Group zu starten. Gleichzeitig veröffentlicht die Regierung ihre Gesetzesprojekte über die Medien. Das eine schließt aber das andere aus, denn die Gesetze verbieten einem Kabelanbieter ebenfalls Inhalte zu produzieren. Das Verbot scheint logisch: der Kabelanbieter würde seine eigenen Kanäle zu Lasten der Konkurrenz bevorzugen. Einige Jahre zuvor war genau dieses Prinzip von der Europäischen Union dem öffentlichen Fernsehen RTS aufgezwungen worden, das dann auf sein Kabelnetzwerk hatte verzichten müssen.
Diesmal ist aber die Meinung von Brüssel genau gegensätzlich, oder besser gesagt durch die Lobbyarbeit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Miteigentümer von United Group) und der für den Anlaß angeheuerten Kanzlei Gide Loyrette Nouel umgekehrt worden. Nach einem erneuten Treffen mit Petraeus entscheidet der serbische Ministerpräsident lapidar: N1 ist in Serbien willkommen. Der Staat gibt auf.
Es ist ein neuer von den Bankiers und den Anwälten via die Brüssler Verwaltung diktierter Gesetzestext und nicht die aus einem mitbestimmenden politischen Verfahren entstandene Originalfassung, der im August 2014 abgesegnet wird. Exit das Volk – die transnationale Finanzoligarchie tritt ein und erpreßt ein Parlament, das nicht mal mehr daran denkt, sich zu verteidigen.
Epilog: N1 TV startet ab Oktober 2014. Im März 2017 nimmt der Kabelfernsehenanbieter SBB den beliebtesten Kanal, den öffentlichen Sender RTS1, vom ersten Platz in seiner Kanalreihenfolge weg um diesen seinem eigenen Kanal N1 TV zu verleihen.
Beeinflußt der Eigentümer seine Medien?
Als die NATO 1999 RTS bombardierte, basierte ihre Argumentation darauf, dass ein Fernsehkanal notwendigerweise die Propaganda seines Eigentümers ausstrahlte. Da dieser Eigentümer der feindliche Staat war und weil Propaganda zum Krieg gehört, kam die NATO zum Schluß, dass das Fernsehen eine Kriegswaffe und daher eine legitime Zielscheibe war.
N1 auch hat Eigentümer. Es gibt darunter sogar einen General, der genau in diesem Krieg gedient hat. Was Propaganda betrifft, so liefern seine Pressemitteilungen bezüglich der Reihenfolge der Kanäle Schulbeispiele in Sache Manipulation. Der Titel „Wachsender politischer Druck um N1 auf dem SBB-Netzwerk zurückzusetzen“ (N1, 2017) läßt vermuten, dass der KKR-Kanal benachteiligt wird, obwohl er eigentlich verwöhnt wird. N1 wird zum Meister für die Verbreitung von falschen Zahlen. 2016 vervierfachen seine Berichte die Beteiligung an einer von amerikanischen NGOs unterstützten Demonstration, während die Anzahl von Anti-NATO-Demonstranten durch dreißig dividiert wird (sic). Anläßlich der serbischen Präsidentschaftswahlen 2017 macht sich der Kanal zum Kommunikationsbüro von manchen Kandidaten, während er andere ganz ignoriert.
Krieg der Empfindungen
Der Fenstersturz der Demokratie durch KKR zugunsten seiner „balkanischen CNN“ wird von Petraeus zur „Entwicklung demokratischer Werte“ erklärt. Es ist das einzige Mal, dass ein N1-Boss über N1 spricht, und er tut das ausschließlich vor N1-Journalisten. Ohne mit der Wimper zu zucken betont er ihre Objektivität und ihre Unabhängigkeit.
Während seine Erklärungen mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun haben, findet man da den Spezialisten für den Krieg der Empfindungen wieder.
„Im internationalen Geschäft ist nichts wichtiger als die historischen Vorstellungen und die Empfindungen, die die Menschen in ihren Köpfen mit sich tragen.“ Dieser Zitat steht am Anfang des ersten akademischen Artikels Petraeus’ 1986 bzw. seiner ein Jahr später in Princeton vorgebrachten Doktorarbeit. Seitdem macht sich der Militär-Gelehrte zum Verfechter einer Reorientierung der US-Armee. Die Priorität sollte nicht mehr der konventionelle Krieg sein, sondern die Aufstandsbekämpfung (counterinsurgency oder COIN), nach dem Motto „die Herzen und die Geister erobern“. 2006 stellte er seine Doktrin in einem Militärhandbuch vor, das Geschichte schreibt (FM 3–24 Counterinsurgency). Irak und Afghanistan werden zu den Laboratorien, wo er 2007–2011 als Oberbefehlshaber seine Theorien in die Praxis umsetzt. Nach vollendeter Mission bleibt ihm nur noch übrig, nach einer wohlbedachten Karriere die Armee zu verlassen, die er revolutioniert hat. Als Kadett in West Point macht er der Tochter des Superintendenten den Hof, was ihm den Spott seiner Kameraden und die Hand des Mädchens bringt. Er macht dann Karriere im Schatten der Commanders Galvin, Vuono und Shelton. Vor dem Skandal sexueller Natur von 2012 war er der Liebling der Medien, die ihm Lobartikel schrieben (die im amerikanischen Journalistenjargon als „Blowjobs“ bezeichnet werden). Sein Charme findet nur wenige Kritiker, wie z.B. den Admiral Fallon, der ihn einen „kleinen duckmäuserischen Arschkriecher“ genannt hätte.
Die Herzen und die Geister erobern
Petraeus, der Briefe mit [dem französischen General] Marcel Bigeard wechselte und das Buch „Les Centurions“ von Jean Larteguy gerne liest, gibt gerne an, von französischer Seite, u.a. vom Theoretiker David Galula, beeinflußt worden zu sein. Dies hindert aber nicht einen französischen Waffenkameraden wie General Maurice Druart daran, Petraeus’ Motto „die Herzen und Geister erobern“ als „einen die Bevölkerung unterdrückenden Merchandisingsprozeß“ anzuprangern (siehe die ausgezeichnete Studie der französischen Armee: Gagner les cœurs et les esprits, CDEF, 2010, S. 57).
Der wirkliche Sinn dieser Redewendung wird auch im Handbuch FM 3–24 wie folgt definiert: „‚Herzen‘ bedeutet die Bevölkerung zu überzeugen, dass der Erfolg der Aufstandsbekämpfung in ihrem Interesse liegt. ‚Geister‘ bedeutet die Bevölkerung zu überzeugen, dass die Macht sie schützen kann und dass Widerstand zwecklos ist. Merken wir, dass die Sympathie der Bevölkerung für die Besatzungstruppen keine Bedeutung hat. Was zählt, sind nicht die Emotionen, sondern bloß Kalkül“. Der Abschnitt „Medien und Kampf der Empfindungen“ liefert beinahe orwellsche Lehren: „Wählt die Worte sorgfältig aus… Z.B. sind die Streitkräfte der Aufstandsbekämpfung etwa Befreier oder Besatzer?“
Erfahren in dieser Art des Doppelgedankens beharrt Petraeus darauf von einem „Sieg“ im Irak zu reden, während der Einsatz unbestreitbar zur Katastrophe geworden ist. Während die Region in den Chaos versunken ist, haben sich die ursprünglich für den Einsatz herangezogenen Gründe als falsch erwiesen und die erklärten Ziele sind nicht erreicht worden. In der Praxis verbindet das Petraeus-Modell der Aufstandsbekämpfung eine große Manipulation mit einer großen Gewalt: Bürgerkrieg, Luftschläge, nächtliche Einfälle, Drohnenangriffe bzw. Folter. Diese Wirklichkeit taucht nur schwer in den Medien auf, die ebenfalls nach Petraeus’ Handbuch zu handeln scheinen (Abschnitt „Auf ein einheitliches Narrativ bedacht sein“).
Das Jahr 1986 wird zum Wendepunkt für Petraeus: er wird zum Theoretiker der Aufstandsbekämpfung, zum Mitglied im Council on Foreign Relations und lernt James Steele, einen Veteran des Programms Phoenix in Vietnam, kennen. In direkter Verbindung mit Petraeus wird Steele zum Ausbilder für die Todesschwadronen und Folterzentren im Irak.
Spionage und Manipulationen im Web
2010 rekrutiert Petraeus die erste Armee von Trollen im Internet (Die amerikanische Spionageoperation manipuliert die sozialen Netzwerke, Guardian, 2011). Sein Kommando CENTCOM startet eine Ausschreibung für eine Software für die Verwaltung von Online-Identitäten, die es erlauben würde, dass 50 Benutzer 500 Fake-Accounts (sock-puppets) benutzen, „ohne zu befürchten, von raffinierten Gegnern entdeckt zu werden“.
Einige Jahre spärer sind ähnliche Praktiken seitens Russlands im Visier von zahlreichen Journalisten, aber das amerikanische Vorbild bleibt regelmäßig unerwähnt. So listet ein Artikel von Obs-Rue89 fünf in solchen Praktiken involvierten Länder auf, ohne dabei die USA in seiner Liste zu erwähnen.
Der Soldat Petraeus versteht sehr wohl, dass die Informationstechnologien unabdingbar für Informationsoperationen sind. Als Chef der CIA warnt er: „man wird Sie durch Ihre Spülmaschine spionieren“ (Wired, 2012). Als Medienmagnat bleibt er genauso kriegerisch wie zuvor: „Der Cyberspace ist ein völlig neuer Kriegsraum“ (BBC, 2017). Er setzt sich besonders für eine immer größere Kontrolle des Internets ein.
Diesbezüglich beherrscht KKR eine große Anzahl an Internetunternehmen, darunter Optiv (Cybersicherheit), GoDaddy (Hosting), First Data (Digitales Geld) und natürlich die Internetzugangsanbieter von United Group.
Die von Edward Snowden enthüllte massive Überwachung des Internets durch die anglo-amerikanischen Geheimdienste erreicht ihren Höhepunkt, als Petraeus die CIA leitet. Man findet dort Projekte wie PRISM, das einen direkten Zugriff auf die Servers der Giganten Google, Facebook, Apple, Microsoft und alii ; oder Muscular und Tempora, die direkt die Glasfaserkabel infiltrieren.
Im Balkan läuft ein Großteil des Internetverkehrs über die von Petraeus gekauften Anbieter. Eine serbische Studie über die „unsichtbare Infrastruktur“ hat festgelegt, dass der gesamte Verkehr zu einem einzigen Punkt führte: „Möchte man den gesamten nationalen Internetverkehr beobachten, filtrieren oder aufbewahren, der über das SBB-Netzwerk läuft, so kann man es tun, indem man diesen einzigen Punkt benutzt.“ Dieser Punkt befindet sich im Besitz von KKR.
Warum infiltrieren, wenn man besitzen kann?
Öffentliches Geld und privates Geld
Petraeus’ Kriege sind beträchtlich teuer, und zwar nicht nur in Menschenleben sondern auch für den Steuerzahler. Diese Kosten werden in Milliarden, wenn nicht in Billionen Dollar geschätzt. Das ist erstmalig in der Geschichte. Es wurden auch noch nie dagewesene Summen an private Unternehmen (Private Subunternehmer erhalten 138 Milliarden Dollar aus dem Irakkrieg, Financial Times, 2013) für zivile (Halliburton-KBR) aber auch militärische (Blackwater) oder nachrichtendienstliche Dienstleistungen (Bell Pottinger) bezahlt. Der Krieg wurde privatisiert, daher der Abschnitt „Globale Firmen und Subunternehmer“ in Petraeus’ Handbuch.
Als Oberbefehlshaber verfügte Petraeus schon über kolossale Summen und handelte direkt mit privaten Unternehmen. Aber wer hat letztendlich wirklich das Kommando, wenn die größte Streitmacht sich überschuldet, um ihre Kriege zu finanzieren: der Commander oder der Finanzler?
Von der Armee in die Finanz… eine Förderung
Sein Leben lang hat Petraeus seine Karriere gefördert, indem er die bessergestellte Macht hofiert hat. Sein Übergang von den hohen Sphären der Armee und der Nachrichtendienste in die Finanz wird gewöhnlich als eine Art Pensionierung oder Herabsetzung betrachtet. Eigentlich sollte man darin eher eine Förderung sehen.
Die Karriere von David Howell Petraeus folgt weiter der gleichen aufsteigenden Linie und dem gleichen roten Faden: der Manipulation der Empfindungen. Sein Fall illustriert einen radikalen Wandel in der Welt der Medien. Vor ihm hätte sich niemand vorstellen können, dass ein ehemaliger Chef der Nachrichtendienste die Medien eines Landes führen würde, die er zu zerstören beigetragen hatte. Als feindlicher General, Chef der Geheimdienste oder Propagandaspezialist setzt er sich in den Medien der angegriffenen Nation unter dem Vorwand durch, dort für eine objektive Information zu sorgen. Es ist eine Meisterleistung! Aber nichts kann die eroberten Herzen und Geister mehr schockieren, oder?
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